Die Europäische Sumpfschildkröte |Emys orbicularis| ist, wie Wenige wissen, ein echtes Wildtier in Österreich und der einzige Vertreter der Schildkröten in Mittel- und Nordeuropa. Die Population in den Donau-Auen schätzen wir auf 1000 – 1500 Individuen.Die Art gilt daher nach den Kategorien der Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“. Weiters ist die Donau-Auen-Population nach Erkenntnissen von Untersuchungen der mitochondrialen DNA ein – an die Gegebenheiten der Region angepasster – eigenständiger Typ (2L). Aus diesem Grund ist die österreichische Population der Europäischen Sumpfschildkröte durch das Aussetzen gebietsfremder Sumpfschildkröten und anderer nichtheimischer Schildkrötenarten (Neozoa) besonders bedroht.
Artenbeschreibung
Die Europäische Sumpfschildkröte besitzt einen ovalen, leicht gewölbten Panzer der bis zu 18cm bei Weibchen beziehungsweise 15cm bei Männchen lang werden kann. Bei uns können Weibchen ein Gewicht von 1kg erreichen. Erkennbar sind Europäische Sumpfschildkröten an dem meist schwarzen Rückenpanzer der mit gelben Punkten gezeichnet ist und der gelben Zeichnung auf der schwarzen Grundfärbung des Halses und des Kopfes. Die Geschlechter sind in unseren Breiten an gewissen Merkmalen leicht zu unterscheiden. Männchen besitzen einen dickeren Schwanz als Weibchen und einen nach innen gewölbten Bauchpanzer. Ganz besonders aber haben (adulte) Männchen des Donau-Auen Typs eine rote Iris während Weibchen eine gelbe Iris besitzen.
Verbreitung
Das weltweite Verbreitungsgebiet der Europäischen Sumpfschildkröte ist groß und reicht vom Aralsee in Zentralasien bis zur Atlantikküste der Iberischen Halbinsel und Marokkos. In diesem Gebiet haben sich Aufgrund der Verbreitungsbarrieren (z.B. Gebirge und Meere) viele Unterarten herausgebildet.
Die österreichische Sumpfschildkrötenpopulation wird der Nominatform Emys orbicularis orbicularis der aktuell 6 anerkannten Unterarten zugeordnet.
Das einzige fortpflanzungsfähige Vorkommen der Europäischen Sumpfschildkröte erstreckt sich an der Donau östlich von Wien bis zur slowakischen Grenze. Einzelne Funde an der March deuten auf ein mögliches Vorkommen auch an diesem Fluss hin. Weitere Funde in Österreich lassen sich auf Aussetzungen gebietsfremder Exemplare zurückführen. Weiters war diese Art früher eine beliebte Fastenspeise und wurde vielerorts in Teichen zu diesem Zweck gezüchtet.
Lebensraum
In ihrem riesigen Verbreitungsgebiet kann die Europäische Sumpfschildkröte eine Vielzahl verschiedener Süßwasserhabitate nutzen. In Österreich kommt sie in stehenden oder schwach fließenden Altarmen der Donau vor. Einerseits bieten angrenzende Heißländen und Schotterböden gute Eiablageplätze andererseits bieten die Gewässer genügend Nahrung und Totholz als Sonnenplätze.
Lebensweise
Die Europäische Sumpfschildkröte ist ein Tier des Wassers. Hier jagt und frisst sie. Auch die Paarung findet im Wasser statt. Das Wasser verlassen die Schildkröten nur um ihre Eier abzulegen oder bessere Jagdgründe und Paarungspartner in anderen Gewässern zu suchen.
Sogar die Überwinterung findet Unterwasser statt. Dabei gräbt sich das Tier meist im Schlamm am Grund des Gewässers ein und fällt in eine Winterstarre die er ihr ermöglicht monatelang ohne einen einzigen Atemzug zu überleben.
Eine ausgewachsene Sumpfschildkröte hat neben Menschen dank ihres harten Panzers nur wenige Feinde zu fürchten. Nur Seeadler und Fischotter sind nachweislich in der Lage erwachsene Tiere zu erbeuten. Bei den Eiern und Jungtiere sieht die Sache hingegen ganz anders aus. So werden Gelege in den Donau-Auen regelmäßig von Füchsen und Wildschweinen – neuerdings auch von eingeschleppten Marderhunden und Waschbären – ausgegraben. Jungtiere haben eine Vielzahl von Feinden zu fürchten. Neben den oben genannten werden Jungschildkröten von Raubfischen wie Wels und Hecht oder Vögel wie Reiher und Störchen gern verspeist. Der Beginn ist also der gefährlichste Teil des Lebens der europäischen Sumpfschildkröten.
Nahrung
Die europäische Sumpfschildkröte ist ein reiner Fleischfresser. Sie jagt und frisst ausschließlich Unterwasser. Größere Beute wird durch festhalten mit dem Maul und wegreißen mit den kräftigen Vorderbeinen zerteilt. Gefressen werden praktisch alle Tiere derer die, bei der Jagd überraschend schnelle, Schildkröte habhaft werden kann. Das Beutespektrum reicht von Würmern, Schnecken und Wasserinsekten bis zu Amphibien, kleinen Fischen und Aas größerer Tiere. Es wurde sogar schon beobachtet, dass Sumpfschildkröten in Fischernetzen verhedderte Hechte töteten und fraßen.
Fortpflanzung
Gleich nach der Winterruhe beginnen die Tiere mit der Paarung, die sich im Wasser abspielt. Die Eiablage erfolgt dann in zwei Wellen zwischen Mitte Mai bis Anfang Juli. Die Eier werden an Land auf geeigneten sandigen Böden abgelegt. Dafür wird vom Weibchen eine etwa 15cm tiefe birnenförmige Gelegekammer gegraben. In diese Kammer werden zwischen 8 und 15 Eier gelegt.
Nicht alle Weibchen legen jedes Jahr einige dafür aber zweimal in einem Jahr. Nach etwa 3 Monaten – zwischen Anfang September und Mitte Oktober – sind die Eier durch die Sonnenwärme ausgebrütet und die Jungen schlüpfen und laufen ins Wasser. Manche Schlüpflinge allerdings bleiben in der Gelegekammer und überwintern von der Erde und Schneedecke vor Frost geschützt. Diese Tiere verlassen das Gelege im darauffolgenden Frühjahr. Schildkröten benötigen in Österreich etwa 10 – 15 Jahre bis zur Geschlechtsreife.
Gefährdung und Schutz
Aufgrund des geringen Verbreitungsgebietes und der Habitatansprüche der Europäischen Sumpfschildkröte kommt dem Schutz ihres Lebensraumes besondere Bedeutung zu. Glücklicherweise liegen diese Gebiete zum Großteil im Nationalpark Donau-Auen und somit vor weiterem Habitatverlust weitestgehend geschützt.
Bedingt durch die geringen Größe der Population und die beschränkte Anzahl der Eiablageflächen ist der Schutz der Gelege und Jungtiere gegen die Vielzahl der Fressfeinde von großer Bedeutung. Dies ist der Hebel an dem das Artenschutzprogramm Europäische Sumpfschildkröte ansetzt und so versucht so vielen Schildkröten wie möglich die Fortpflanzung zu ermöglichen.
Eine weitere – von Laien unterschätzte – Gefahr stellen ausgesetzte gebietsfremde Schildkröten dar. Eingeschleppte Arten, wie z.B. die Rotwangen – Schmuckschildkröte, werden aus falscher Tierliebe oder weil sie für den Gartenteich zu groß werden, in die „Freiheit“ entlassen und verdrängen dort die einheimische Sumpfschildkröten. Auch ausgesetzte Europäische Sumpfschildkröten stellen eine Gefahr dar. In Zoohandlungen erhältliche Sumpfschildkröten gehören meist zu anderen nicht an unsere Breiten angepasste Unterarten. Wenn diese gebietsfremden Schildkröten ausgesetzt werden vermischen sie sich mit heimischen Tiere und „verwässern“ damit die spezielle genetischen Anpassungen an diesen nördlichen Lebensraum